Krell (2)

von | Jul 25, 2021 | Generated, Reaktor, ReaktorAdvanced

Nachdem wir herausgefunden haben, wie das akustische Perpetuum Mobile funktioniert und wie die Parameter eines Oszillators und einer Hüllkurve mit zufälligen Werten getriggert werden können, geht es daran, alle Bestandteile des Generators mit einzubeziehen.

[01]

LESSON

Louis & Bebe Barron – Ancient Krell Music (Forbidden Planet)

Aus Gründen der DSGVO-Kompatibilität wird dieses Video auf der Website des Anbieter geöffnet. Damit ist garantiert, dass eurer Daten nicht an Dritte weiter gegeben werden.

Um was wird es gehen?

Die grundsätzlichen Techniken wurden im ersten Teil des Tutorials geklärt. Nun müssen wir uns um die notwendigen Komponenten für den Generator kümmern.
Die Krell-Tutorials, die ich mir bisher angehört habe, beschränken sich auf das generieren zufälliger Klangfragmente. Das Video-Beispiel lässt allerdings vermuten, dass es hier mehr als eine Ebene gibt: Im Hintergrund ist eine ebenfalls zufällig mutierende Klangtextur zu erkennen, weshalb ich mich für zwei klangerzeugende Elemente entschieden habe: einen „Front-Oszillator“ für die üblichen Klangfragmente und einen „Back-Oszillator“ für die Textur im Hintergrund.

Zur Erinnerung: Da wir uns hier in der „Advanced-Abteilung“ befinden, wird im Gegensatz zum „Basic-Bereich“ nicht die Bedeutung und Montage jedes einzelnen Moduls erklärt, sondern immer eine komplette Schaltung in Aufbau und Funktion beschrieben. 

Beginnen wir mit dem Front-Oszillator…

[02]

Der Front-Oszillator

Hier gehen wir in die Vollen und unterwerfen alles was wir in die Finger bekommen dem Zufall: Den Oszillator selbst, dessen Hüllkurve, nachfolgend einen Filter, Lautstärke & Panoramaverteilung und am Ende einen Reverb-Effekt. In den folgenden 5 Abschnitten werden wir uns diese Komponenten von aussen (also ihrer Position im kompletten Layout) und von innen (die eigentliche Schaltung) im Details anschauen.

Abb. 1: Schema Front-Oszillator

[03]

Die Hüllkurve – von außen …

Ihr kommt eine zentrale Bedeutung zu, da sie ja nicht nur den Klang formt, sondern auch für das automatische Starten und am Laufen halten des Generators verantwortlich zeichnet. Die zugehörigen Zufallszahlengeneratoren wirken auf die Attack- und Decay-Werte der Hüllkurve und auf die Verzögerung der nächsten Runde (Delay-Time) ein. Der IN-Eingang des Envelope-Macros empfängt das zuvor selbst generierte Tiggersignal.

Dieses Macro ist für alle zeitabhängigen Belange (Tondauer, Abstand zwischen den Tönen) zuständig. 

Abb. 2: Envelope aussen

… und von innen

Und das passiert im Envelope-Macro:

  • Das Trigger-Signal, das die Hüllkurve an ihrem Ausgang nach jedem Durchlauf erzeugt, betritt das Macro wieder über den IN-Eingang und wird zunächst im Delay-Modul um den Wert verzögert, der am Y-Eingang anliegt.
  • Anschließend läuft das Signal in den Selektor, der je nach Knopf-Stellung das Signal blockt, oder weiterleitet. Der 0/1-Ausgang des Knopfes sorgt dafür, dass der Back-Oszillator ebenfalls ein-, bzw. ausgeschaltet werden kann.
  • Hat das Signal den Selector erfolgreich passiert, triggert es die Hüllkurve und ein neues Audiofragment wird gestartet. Die Amplitute der Hüllkurve ist mit 1 festgelegt, Attack und Decay werden, wie bereits beschrieben, von aussen manipuliert.
  • Am Ausgang der Hüllkurve liegen nun deren Werte an, die (wie in Teil 1 beschrieben) zusätzlich vom Compare-Modul auf den Wert 0 geprüft werden. Ist dieser erreicht, ist ein Zyklus zu Ende und die Hüllkurve startet sich selbst neu.

Wie ihr sicher bemerkt hat, verwende ich anstelle eines Buttons/Knobs ein Macro. An dieser Stelle meinen Dank an Efflam Le Bivic, der ein wahrer Meister im Designen von schönen Knöpfen ist und diese in der User-Library zur Verfügung stellt.

Abb. 3: Envelope innen

Zufallssteuerung Envelope

Hier könnt Ihr sehen, mit welchen Werten ich die Paramter des Envelope-Macros ansteuere. Dieses Macro hat einen Eingang für das Triggersignal der Hüllkurve und für jeden Parameter, den es beeinflusst, einen Ausgang.

Abb. 4: Envelope Zufallsparameter

[04]

Der Oszillator – von außen …

Der Oszillator innerhalb des (Front)-Oszillators? Wer sich darüber wundert, tut das mit Recht; das Bedarf einer Erklärung: Ich betrachte die beiden übergeordneten Klangerzeuger (Front und Back) als Oszillatoren, da sie den eigentlichen Klang liefern. Innerhalb dieser beiden Macros versehen aber mehrer Sinus-Oszillatoren ihren Dienst, die per Definition ebenfalls Oszillatoren sind. Wenn jemand einen Vorschlag zur namentlichen Unterscheidung hat …

Der Oszillator wird über 4 Parameter angesteuert. Zwei davon betreffen den Oszillator selbst, die anderen zwei einen Glide-Effekt, um die Dauer der Tonhöhenänderung beeinflussen zu können. Wer mehr darüber wissen möchte, möge sich mein Glide-Tutorial anschauen.

Dieses Macro ist für alle tonhöhenrelevanten Faktoren (Höhenunterschied zwischen zwei aufeinanderfolgende Ereignisse, Dauer der Tonhöhenänderung, Frequenz) zuständig. 

Abb. 5: Oszillator aussen

… und von innen

Und das passiert im Oszillator-Macro:

  • Das XY-Modul mit dem vorgeschalteten Ramp-Oszillator und den beiden Konstanen (0.15 und 1) dienst lediglich dem Visualisieren des Glide-Effekts. für die Funktion der Schaltung sind diese Module zu vernachlässigen.
  • Für den Rest beginne ich der Einfachheit halber von hinten: Dort befindet sich ein SineFM-Oszillator, der das eigentliche Tonfragment erzeugt. FM deshalb, weil ein reiner Sinus-Oszillator keine Obertöne enthält und sich somit später auch nicht filtern lässt. Der Pitch-Eingang (P) wird von einer Glide-Schaltung versorgt (Details hier), der Frequenz-Eingang (F) von einem weiteren Sinus-Oszillator, dessen P-Eingang zufällig gesteuert wird.
    Da dieser Sinus-Oszillator eine Tonhöhe ausgibt, wir aber am F-Eingang des SineFM-Oszillators eine Frequenz benötigen, befindet sich zwischen den beiden Oszillatoren eine EXP (F)-Modul.
  • Bleibt noch das Glide-Modul, für das normalerweise ein einfacher 1-Pole-Filter ausreicht. Ich habe mich hier aber für einen 2-Pole-Filter entschieden, weil dessen Resonanz die Glide-Kurve an ihrem Ende  interessant „verbiegen“ kann.

Zusammengefasst: Die zufällige Tonhöhe (P) durchläuft einen Glide-Effekt (Filter), dessen Glide-Zeit (G) und Einschwingszeit (J) zufällig gesteuert werden. Die Frequenz (F) des Oszillators wird von einem weiteren Sinus-Oszillator gesteuert, dessen Tonhöhe ebenfalls zufällig ist.

Abb. 6: Oszillator innen

Zufallssteuerung Oszillator

Hier könnt Ihr sehen, mit welchen Werten ich die Paramter des Oszillator-Macros ansteuere. Dieses Macro hat ebenfalls einen Eingang für das Triggersignal der Hüllkurve und für jeden Parameter, den es beeinflusst, einen Ausgang.

Abb. 7: Oszillator Zufallsparameter

[05]

Der Filter – von außen …

In diesem Fall habe ich ein Modul gewählt, das 4 verschiedene Filter anbietet: Highpass, Bandpass, Lowpass und Notch. Viel Potential für abwechslungsreiche Klänge also.

Dieses Macro ist für Klangfarben zuständig: höher, tiefer, wärmer, kälter, mittiger, direkter, etc. Zu Filtern habe ich in der Vergangenheit bereits das hier geschrieben.

Abb. 8: Filtertypen

Abb. 9: Filter aussen

… und von innen

Und das passiert im Filter-Macro:

  • Das Eingangssignal durchläuft das Filtermodul, wird an allen 4 Ausgängen abgegriffen und jeweils an einen der 5(!) Selector-Eingänge weitergeleitet.
  • Ein 5 Selectoreingang (die Nr. 0) nimmt zusätzlich das unbearbeitete Signal auf. Damit stehen 5 verschiedene Klangvarianten zur Verfügung.
  • Die Filterparameter Cutoff (P) und Resonanz (R) werden zufällig gesteuert.
  • Ebenfalls zufällig gesteuert wird der Pos-Eingang des Selectors und damit der verwendete Filterausgang.

Die 4 Lamp-Module zeigen den jeweils aktiven Ausgang an.

Abb. 10: Filter innen

Zufallssteuerung Oszillator

Hier könnt Ihr sehen, mit welchen Werten ich die Paramter des Filter-Macros ansteuere.
Auffällig ist der Zusatz in der Ansteuerung der Filterausgänge: Hier benötigen wir ausschließlich ganze positive Werte. Die Nachkommastellen entfernen wir mit der Modulo-Funktion und das Vorzeichen mit der nachgeschalteten Absolut-Funktion (❘x❘).
Ansonsten hat dieses Macro wie gehabt einen Eingang für das Triggersignal der Hüllkurve und für jeden Parameter, den es beeinflusst, einen Ausgang.

Abb. 11: Filter Zufallsparameter

[06]

Der Mixer – von außen …

Das wird ein sehr kurzer Abschnitt 🙂

Abb. 12: Mixer aussen

… und von innen

Um Lautstärke und Panorama anzusteuern bedarf es lediglich eines Stereo-Mixer-Moduls, für das kein extra Macro-Gehäuse nötig ist.

  • Das Mono-Signal, das zuvor den Filter verlassen hat, durchläuft auf dem üblichen Weg das Stereo-Mixer-Modul, um den Ausgang zufällig links und/oder rechts und in ebenfalls zufälliger Lautstärke zu verlassen. 

Sonst ist hier nichts weiter Spektakuläres zu berichten.

Abb. 13: Mixer innen

Zufallssteuerung Mixer

Hier könnt Ihr sehen, mit welchen Werten ich die Paramter des Mixer-Moduls ansteuere. Und erneut gebietet dieses Macro über einen Eingang für das Triggersignal der Hüllkurve und für jeden Parameter, den es beeinflusst, einen Ausgang.

Abb. 14: Mixer Zufallsparameter

[07]

Der Reverb-Effekt – von außen …

Das Reverb-Macro verfügt – außer den beiden Signal-Eingängen für links und rechts – über lediglich zwei Steuereingänge zur Beeinflussung des Original- und des Effektpegels.
Mit zufällligen Parametern auf Delay- und Diffusionsparameter einzuwirken, führt schnell zu unkontrollierbaren Ergebnissen. Es sei denn, man hält die Wirkung so gering, dass sie im Gesamtbild nicht mehr auffällt. Aus diesem Grund habe ich mich für eine fest verdrahtete Reverb-Schaltung entschieden und wirke nur auf die Pegel am Ausgang ein.

Abb. 15: Reverb aussen

… und von innen

Keine Panik, das sieht komplizierter aus, als es ist. Aus Lektion 13 des Basic-Synthesizers kennt ihr das Grundprinzip dieses Reverbs bereits: Wir verbinden eine nützliche Anzahl Diffuser-Delays und erzeugen so ein dichtes Reverb-Signal. Im Gegensatz zum Basic-Tutorial, sind die Parameter hier nicht einstellbar, sondern mit Konstanten festgelegt.

Und das passiert im Reverb-Macro:

  • Das linke und das rechte Eingangssignal laufen durch jeweils 8 hintereinander geschaltete Diffuser-Delays, parallel zum Original-Signal, in einen Mixer.
  • Die Level für das Effekt- und das Original-Signal werden durch Zufallszahlen beeinflusst, so dass am Ausgang jede beliebige Kombination aus Original und Reverb anliegt.

Den Luxus so vieler Diffuser-Delays können wir uns deshalb leisten, weil der Krell-Generator monophon ausgelegt ist und so kaum Rechenleistung veranschlagt wird.
Eine Verdoppelung der Stimmenzahl auf 2, erhöht die erforderliche Rechenleistung auf einem iMac 27″ 5K mit 3,8 GHz 8-Core Intel Core i7 und 32GByte RAM von ca. 3% auf knappe 50%. Eine weitere Verdoppelung auf 4 Stimmen, lässt das System komplett aussteigen. In diesem Zusammenhang wäre es interessant, künftige Reaktor-Versionen nativ auf Apples eigenen neuen CPUs zu testen …

 

Abb. 16: Reverb innen

Zufallssteuerung Reverb

Und ein letztes Mal könnt Ihr hier sehen, mit welchen Werten ich die Paramter des Reverb-Macros ansteuere. Wie bisher auch, existiert ein Eingang für das Triggersignal der Hüllkurve und für jeden Parameter, den es beeinflusst, einen Ausgang.

Abb. 17: Reverb Zufallsparameter

[08]

Ausbblick 2

Damit verlassen wir den Front-Oszillator, um uns im dritten Teil mit dem Back-Oszillator und dem zusammenführen und Auswildern des erzeugten Gesamtklangs durch die Lautsprecher zu befassen.

Abb. 18: Ausblick auf den dritten Teil

Kontakt

Bernd Scheurer
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Mobil: 0151 50411034
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