Vector-Synthese (1)

von | Okt 4, 2023 | Reaktor, ReaktorAdvanced, Vector-Synthese

Wenn ein Synthesizer über einen Joystick gebietet und dieser nicht(!) die Kombination Pitchbend/Modulation bedient, habt ihr es mit der Vector-Synthese zu tun. Eine ausgefeilte Lautstärkenüberblendung, die wir in Grundzügen nachbauen werden.

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Um was wird es gehen?

Zugegeben: Laustärkenüberblendung klingt in dem Fall ein wenig banal. Was sich damit anstellen lässt, ist nämlich erheblich komplexer. Zuvor aber ein bisschen Geschichte:

Der erste Vertreter diese Art war Sequential Circurits Prophet VS (VS steht für Vector-Synthese). Damals waren die Synthesizer-Hersteller gerade dabei, den Auftritt des Yamaha DX7 zu verkraften, der mit seiner digitalen Technologie so einige analoge Modelle ins Aus befördert hatte. In Folge bekam auch Sequential Circurits die Kurve nicht und musste Konkurs anmelden.
Yamaha erwarb die Konkursmasse und übernahm den Firmengründer Dave Smith gleich mit. Der entwickelte dort die Korg Wavestation (Yamaha hielt damals anteile an Korg), die einen guten Teil der Wellenformen des VS übernahm, aber keinen resonanzfähigen Filter besaß. Die mittlerweile ebenfalls seltene (da mit einem A/D-Wandler ausgestattete) Rackversion Wavestation A/D findet sich auch in meiner Sammlung. Korg pflegt dieses Konzept bis heute, mit dem aktuellen Modell Wavestate.
Mehr dazu habe ich hier unter „Vector-Synthese & Wave-Sequencing“ geschrieben.

Im nachfolgenden Slider findet ihr eine Gesamtansicht und einen Ausschnitt mit dem Joystick des Prophet VS (von dem es auch eine Rackversion gab), Bitte beachtet hier die Credits der Fotos in der nachfolgenden Spalte. Vielen Dank.

Prophet VS sind heute selten, ebenso gute Fotos. Mein Dank gilt Richard Lawson (RL Music,  England), der mir die phantastischen Fotos eines Prophet VS zur Verfügung stellte.. RL Music ist seit Jahrzehnten das führende europäische Vertriebs- und Serviceunternehmen für analoge Vintage- und klassische Synthesizer.

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Aus X-Y wird A-B-C-D

Das markante Element der Vector-Synthese ist der Joystick, mit dem Selbige ausgeführt wird. Darum kümmern wir uns also zuerst.

Abb. 1: Vom VS-Handbuch zum Reaktor-Controller

Unser Vector-Controller wird insofern etwas vom VS-Vorbild abweichen, als dass wir das Layout aus technischen Gründen um 45° nach rechts drehen müssen. Dazu verwenden wir ein XY-Modul. Wenn es auf der Eingangsseite mit Signale versorgt wird, kann es Linien, Wellenformen oder Rechtecke darstellen. Auf der Ausgabeseite lassen sich die Mausposition (relativ zum vorgegebenen Wertebereich) und der Status der linken Maustaste auslesen. Letztere Option ist für unsere Zwecke hilfreich, um aus dem XY-Modul einen Joystik-Ersatz zu kontruieren.

Vorüberlegung:

  • Ausgehend von der Defaulteinstellung des XY-Moduls, liefern die Ausgänge MX (für die X-Position der Maus innerhalb des Moduls) und MY (für die Y-Position der Maus innerhalb des Moduls) jeweils einen Wert zwischen 0 und 1. Befindet sich die Maus in der Mitte der Fläche (s. Abb. 1), liefern MX und MY den Wert 0,5.
  • Wenn wir das Ausgangssignal eines Oszillators mit einem Wert zwischen 0 und 1 multiplizieren, können wir Einfluss auf dessen Lautstärke nehmen: 0 = aus, 1= maximale Laustärke.
  • Der XY-Controller liefert Parameter für 4 Oszillatoren:
    • Position A: X=0 / Y=1. Oszillator 1 an, alle anderen: aus.
    • Position B: X=1 / Y=1. Oszillator 2 an, alle anderen: aus.
    • Position C: X=1 / Y=0. Oszillator 3 an, alle anderen: aus.
    • Position D: X=0 / Y=0. Oszillator 4 an, alle anderen: aus.
    • Jede Position dazwischen stellt ein Mischungsverhältnis aus allen 4 Oszillatoren dar.

Wer aufgepasst hat, hat es sicher bemerkt: Sind X und Y gleich 0, wird Oszillator 4 sicherlich nicht hörbar sein. Hier werden wir etwas Mathematik nutzen müssen, um einen verwertbaren Parameter zu erhalten. Dazu subtrahieren wir an den Positionen, an denen einen 0 auftritt, den MY-Wert von 1, um im Positiven Wertebereich zu landen. Das sieht dann so aus:

  • Position A: (1-x) * Y
  • Position B: X * Y
  • Position C: X * (1-Y)
  • Position D: (1-X) * (1-Y)

Weil es sich anbietet, starten wir den ersten Versuch mit den 4 Grundwellenformen Sinus, Dreieck, Rechteck und Sägezahn.

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Oszillatoren

Zuerst bauen wir uns ein simple Audioquelle aus den 4 Wellenformen auf.

Abb. 2: Oszillatoren

Um den Aufwand überschaubar zu halten, bekommen alle 4 Sozillatoren eine AR-Hüllkurve mit Konstanten Werten. Die Pulsweite des Rechteck-Oszillators ignorieren wir auch erst mal. Das ist vermutlich der kürzeste Abschnitt in allen bisherigen Tutorials.

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Vector-Controller

Bevor wir ins Detail gehen, hier schon mal der komplette XY-Controller

Abb. 3: XY-Controller

SAW

Wir beginnen oben rechts und arbeiten uns im Uhrzeigersinn um den Controller.

Abb. 4: SAW

Der SAW-Oszillator ist der Position „B“ (s. Abb. 1) zugeordnet. Die zugehörige Formel lautet also X * Y. Dem entspechend multiplizieren wir MX und MY mit dem Ausgang des SAW-Oszillators.

PLS

Abb. 5: PLS

Der PLS-Oszillator ist der Position „C“ (s. Abb. 1) zugeordnet. Die zugehörige Formel hier X * (1-Y). Dem entspechend multiplizieren wir MX und 1-MY mit dem Ausgang des PLS-Oszillators. 

SIN

Abb. 6: SIN

Der SIN-Oszillator siedelt in Position „D“ (s. Abb. 1). Die zugehörige Formel: (1-X) * (1-Y). Wir multiplizieren deshalb 1- MX und 1-MY mit dem Ausgang des SIN-Oszillators.

TRI

Abb. 7: TRI

Und zu guter letzt der TRI-Oszillator in Position „A“ (s. Abb. 1). Die zugehörige Formel lautet (1-X) * Y. Wir multiplizieren 1- MX und MY mit dem Ausgang des TRI-Oszillators.

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Praxis

Abb. 8: Praxis

Bleibt nur noch, die 4 Ausgänge unseres Vextor-Pads mit einem Mixer zusammen zu fassen und dem Ausgang zu zu führen. Und schon hätten wir einen sehr einfachen Vector-Synthesizer. Außer den üblichen Ergänzungen wie Filter, LFO und Effekten, lassen sich zb. die Oszillatoren durch komplexere Exemplare oder durch Samples ersetzen. Eurer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Im nachfolgenden Video könnt ihr sehen, wie der rudimentäre Vector-Synth klingt:

[06]

Download

g

Vector Synth 1

.ens-Datei, (Zip-File, 4KB)

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