EFX – Delay (1)
Einen sehr einfachen Delay-Effekt kennt ihr ja schon aus unserem Basic-Synthesizer. Diese Advanced-Version wird aber erheblich mehr können. Laßt euch überraschen!
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Um was wird es gehen?
Wir bauen uns einen Delay-Effekt. Ja, einen solchen hatten wir schon in der 12. Lektion des Basic-Synthesizers. Jener war aber sehr einfach gestrickt und konnte gerade mal Verzögerungen im Millisekundenbereich verarbeiten.
Unser neues Advanced-Delay soll sowohl Millisekunden als auch BPM (Beats per Minute) verarbeiten können und sich bei letzterem nach der BPM-Einstellung des Hostsystems richten (Reaktor oder eure DAW).
Des Weiteren stehen eine Tape-Delay-Simulation und eine Ping-Pong-Funktion im Pflichtenheft. Erste simuliert den Charme alter Tape-Delays, letztere läßt die Delay-Echos zwischen dem linken und rechten Kanal hin und her springen und legt den Effektausgang somit gezwungenermaßen in Stereo an. Danach soll das Feedback zur gezielten Klanggestaltung genutzt werden können. An diesem Punkt werden wir das gute Stück erst mal aufräumen (Macros) müssen. Abschließend werden wir uns damit beschäftigen, auch den Eingang wahlweise in Stereo anzulegen und dann beide Kanäle unabhängig zu betreiben. Abschließend wird es um ein nettes Interface gehen. das Auge spielt ja mit.
In diesem ersten Teil kümmern wir uns um die Zeitsteuerung (Millisekunden und BMP) und um den Tape-Delay Effekt. Im folgenden zweiten Teil werden wir Ping-Pong und Klanggestaltung einbauen. im dritten und letzten Teil werden wir die Schaltung aufräumen/verpacken und die generelle Stereofähigkeit herstellen.
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Eine Spielwiese muss her!
Um hören zu können, was wir hier anstellen, muss zuerst ein ganz einfacher Oszillator her. Ich habe mich für das „ADSR SAW“-Macro aus meiner Library entschieden. In diesem Macro befindet sich ein Sägezahn-Oszillator mit einer ADSR-Hüllkurve.
Hinter das Oszillator-Macro parken wir eines für den Delay-Effekt und legen Dort einen Ein- und einen Ausgang an. Der Ausgang des Oszillator-Macros wird mit dem Eingang des Delay-Macros und der Ausgang des Delay-Macros mit den Ausgängen des Reaktors verbunden. Für einen Funktionstest können wir nun noch innerhalb des Delay-Macros den Ein- und den Ausgang verbinden. Jetzt lässt sich ein Ton erzeugen und es kann losgehen.
Abb. 1: Die Spielwiese
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Delay – Millisekunden
Ihr erinnert euch?
Das hier ist die Delay-Schaltung aus unserem Basic-Synthesizer. Simpel aber funktional. Für die neu hinzugekommenen noch mal eine kurze Funktionsbeschreibung. Wer das Ganze im Detail nachvollziehen möchte, sollte hier noch einmal reinschauen:
- Dreh- und Angelpunkt ist ein Single Delay Modul, das ein anliegendes Signal (In) um den am Dly-Eingang vorgegebenen Wert (in Millisekunden) verzögert und am Ausgang (Out) wieder ausgibt.
- Da wir für einen brauchbaren Delay-Effekt das Original-Signal und das Echo brauchen, führen wir hinter dem Delay-Modul sowohl das Eingangssignal, als auch den Delay-Ausgang mit einem Crossfade Mixer zusammen. Mit dem D/W-Regler am Mixer können wir die Verteilung (Dry/Wet) regeln.
- Um nicht nur ein Echo, sondern eine Kaskade aus mehreren, leiser werdenen Echos zu erhalten, betreiben wir ein wenig Mathematik. Hierzu benötigen wir einen Multiplikator, einen Addierer und einen Regler.
- Die Idee besteht darin, in einem ständigen Kreislauf den Ausgang des Delays abzuschwächen und danach dem Eingang wieder zuzuführen. So wird das Echosignal in jeder Runde etwas schwächer, bis es irgendwann komplett ausblendet.
- Das Abschwächen übernimmt der Multiplikator, mit dem der Delay-Ausgang um einem Wert zwischen 0 und 0.9 multipliziert wird – und zwar in jeder Runde mit dem selben Faktor.
- Der Addierer ist nur aus technischen Gründen anwesend. Da am Delay Modul nur ein Signal anliegen kann, müssen wir das Eingangssignal und das Feedback aus dem Multiplikator erst zusammen addieren und dann in das Delay Modul leiten.
Fertig ist unsere rudimentäre Delay-Schleife. Der Time-Regler gibt die Verzögerung in Millisekunden vor, der FB-Regler die Anzahl der Wiederholungen und der D/W-Regler das Verhältnis zwischen Original-Signal und Echo-Signal.
Abb. 2: Delay, Grundschaltung.
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Delay – BPM
Jetzt müssen wir richtig rechnen! Drei Dinge sind für den nächsten Schritt im Auge zu behalten:
- „Referenz“ soll die 1/4-Note sein.
- Zum einen sind die Millisekunden (ms) für eine 1/4-Note bei den vorgegebenen BPM zu berechnen
- Zum anderen ist ein Multiplikationsfaktor für die gewünschte Teilung (1/32, 1/16, 1/8, 1/4, 1/2, 1) zu ermitteln.
Im oberen Teil von Abb. 3 errechnen wir die ms für eine 1/4-Note bei einem vorgegebenen BPM-Wert. Das Tempo Info Modul liefert hierbei die Beats per Second (BPS), die wir im ersten Schritt mit 60 multiplizieren um die gewünschten BPM zu erhalten. Das Number-Macro kennt ihr bereits aus verschiedenen Tutorials. Es dient hier zum Darstellen der errechneten BPM. Wer weniger Wert auf Typographie legt, kann hier auch ein Numeric Readout Modul anschließen. Anschließend Teilen wir 60000 (ms/min) durch den errechneten Wert und wissen dann genau, wie lang eine 1/4-Note bei der vorgegeben BPM-Zahl sein muss.. Bei 60 BPM wären das 1000 ms, bei 120 BPM 500 ms.
Der unterer Teil von Abb. 3 ist eine reine Konvertierungs-Routine. Am Eingang haben wir einen Drehregler mit den Input-Werten 0-5 für die Notenlängen 1/32, 1/16, 1/8, 1/4, 1/2 und 1. Auf der anderen Seite benötigen wir einen Multiplikationsfaktor für den im oberen Teil errechneten Wert, bei dem die 1/4-Note zwingen den Wert 1 haben muss. Logischerweise müssen dann die 1/8-Note einen halb so großen und die 1/2-Note einen doppelt so großen Wert abliefern. Folgende Ein- und Ausgangswerte müssen also korrelieren:
Das erreichen wir, in dem wir die Konstante „2“ mit dem Eingangswert des Reglers potenzieren und das Ergebnis durch 8 teilen.
Abb. 3: BPM-Parameter vorbereiten
Im nächsten Schritt Multiplizieren wir beide Werte zusammen und führen Sie dem DLY-Eingang des Delay Moduls zu. Sinnvollerweise über einen Selektor, um weiterhin zwischen ms und BMP wählen zu können.
Abb. 4: ms/BPM angeschlossen
Und jetzt punktiert und triolisch!
Ein Feature fehlt uns noch in unserer BPM-Sammlung: Die punktierte und triolische Einteilung. Im Gegensatz zu den meisten Delays werden wir hier keine extra Einstellungen für bestimmte Notenwerte (z. B. 1/8 und 1/16) vornehmen, sondern gleich alle Notenwerte punktiert und triolisch umsetzen. Das ist zum einen sehr viel einfacher zu lösen und erlaubt zum anderen mehr künstlerische Freiheiten.
Punktiert: Meine Schüler kennen das schon: „Was macht der Punkt mit einer Note? Er verlängert sie um ihre eigene Hälfte.“ Das umzusetzen ist recht einfach: Wir multiplizieren den errechneten Wert mit 1.5 und schon haben wir punktierte Notenlängen
Triolisch: Triolen zeichnen sich dadurch aus, dass 3 gleichlange Noten den selben Zeitraum füllen, wie sonst 2. Eine 1/8-Triole ist also genau so lang, wie 21/8-Noten, bzw. 1/4. Rein rechnerisch besteht also eine in 1/8 aufgeteilte 1/4 aus 2 x 50% der Gesamtnotenlänge. Eine 1/8-Triole besteht aus 3 x 33% der Gesamtnotenlänge. Genaugenommen sind es 33,333333….%, aber so genau müssen wir das für unsere Anwendung nicht nehmen. Um das hinzubekommen, müssen wir lediglich mit 0.66 multiplizieren.
Ein Selektor sorgt dafür, dass wir mit einem Button-Panel zwischen einem Multiplikator „1“ (nichts passiert) und den beiden Multiplikatoren wählen können.
Ihr könnt nun euer Metronom auspacken und verschiedene Einstellungen überprüfen 🙂
Abb. 5: BPM punktiert und triolisch
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Tape-Delay
Ende der 20er Jahre kamen Tonbangeräte in Mode und erweiterten die Möglichkeiten der Tontechnik. Ein Produkt dieser Technik war das Tape-Delay, bei dem ein Audiosignal erst aufgezeichnet und dann (bedingt durch die Laufzeit des Bandes) an einem oder weiteren Tonköpfen zeitversetzt wieder abgespielt wurde, wodurch ein Echo entstand. Prinzipbedingt litten mit der Zeit sowohl das Band, als auch die Audioqualität, wodurch Unregelmäßigkeiten auftraten, die dem Sound einen gewissen Charme verliehen, den man bei digitalen Geräten heute künstlich erzeugt. Und genau das werden wir hier auch nachrüsten.
Abb. 6: Tape-Delay Echolette SE200, Musikmesse FFM 2019 (Interessengemeinschaft ISDV & Vintage Concert Audio Show e.V.)
Dazu bedienen wir uns eines LFO, der zum Dly-Eingang des Delay-Moduls dazu addiert wird. Um die „Störung“ nicht zu gleichmäßig werden zu lassen, bauen wir zwischen dem LFO-Ausgang und dem Addierer einen Randomizer ein, dessen Bandbreite ich hier auf 0-0.1 begrenzt habe.
Abb. 7: Tape-Delay Simulation
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Interface
Nach soviel für die Ohren, gibt es jetzt noch was fürs Auge. Um die gewählten Notenwerte besser visualisieren zu können, malen wir uns alle in Frage kommenden Darstellungen auf. Der Versuch mit bestehenden Noten-Fonts zu arbeiten hat sich bei der Auflösung der Reaktor-Oberfläche mit nur 72dpi als eher destruktiv erwiesen. zu Kleinteilig und unscharf fallen die Ergebnisse aus. Also habe ich mir einen „Noten-Font“ gemalt, der nur aus Linien und rechten Winkeln besteht. Jedes Symbol muss in diesem Fall die selbe Größe haben, um von Reaktor verarbeitet werden zu können. in Diesem Fall ist jede Note 18 Pixel breit und 26 Pixel hoch. Die gesamte Grafik hat also eine Breite von 324 Pixel.
Und nicht vergessen: Als .png-File mit 72dpi Auflösung speichern!
Abb. 8: Notenwerte zeichnen
Nun legen wir das Multi Picture an und laden unsere Notenwerte-Grafik. In den Voreinstellungen des Multi Picture geben wir an, dass die Grafik horizontal zu teilen ist und dass es sich um 18 Frames (Teilbilder) handelt. Reaktor zerlegt das Bild nun selbständig, ordnet jedem Teilbild einen Index (beginnend mit 0) zu und wird je nach Wert am Sel-Eingang das passende Teilbild anzeigen.
Für die Ansteuerung braucht es wieder ein wenig Mathematik:
Wir verfügen über 6 Positionen an unserem Signature-Drehknopf (0-5) und über drei verschiedene Varianten (normal, punktiert, triolisch), was zusammen 18 Einstellungemöglichkeiten ergibt – analog zu den 18 Teilbildern. Das Button-Panel zum Umschalten zwischen „normal“, „punktiert“ und „triolisch“ liefert uns Werte von 0-2. Mit dem 6-stufigen Signature-Drehknopf erreichen wir aber nicht alle 18 Bilder. Mit einer geschickten Kombination aus Signature-Drehknopf und Button-Panel aber schon. Und das machen wir wie folgt:
Wir hängen einen Selector an den Sel-Eingang des Multi Pictures. Das Button-Panel verbinden wir mit dem Pos-Eingang des Selectors. Der Signature-Regler kommt an den 0-Eingang des Selectors. Dreht man bei aktivem „normal“-Button jetzt am Knopf, zeigt das Multi Picture die Teilbilder 1-4 (nicht verwechseln mit deren Index-Werten von 0-3).
Wird der „punktiert“-Button gedrückt, brauchen wir die Teilbilder 7-12 (Index 6-11). Wir müssen also zum Ausgangswert des Signature-Reglers 6 dazu addieren. Der Signature-Regler und die Konstante „6“ werden so mit einem Addierer zusammengezählt und liegen am 1-Eingang des Selectors an. Der „punktiert“-Button hat ja bereits den 1-Eingang des Selectors aktiviert.
Analog verfahren wir mit dem „triolisch“-Button: Dieser aktiviert den 2-Eingang des Selektors, an dem der Signature-Regler mit einem Offset von +12 anliegt.
Abb. 9: Grafik einbinden
So könnte unser Delay jetzt Aussehen:
- In der Mitte, oben, befindet sich der Mode-Wahl Knopf. Zeigt er nach Links, wird der Time-Regler (ms) wirksam. Zeigt er nach Rechts, gelten die BPM-Angaben, die mit dem Signature-Knopf in Form von Notenlängen eingestellt werden. Das Button-Panel schaltet zwischen normal, punktiert und triolisch um.
- Links unten befinden sich die Regler für Feedback und Dry/Wet.
- Rechts unten ist die Tape-Simulation zu sehen.
Ihr ahnt vielleicht schon, welches Optimierungs-Potential hier drin steckt.
Abb. 10: Serviervorschlag
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Ausblick
Im folgenden Teil werden wir uns – wie bereits erwähnt – um Ping-Pong und Klanggestaltung kümmern.
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