Basic-Synth (10) – Mit dem Filter Farben formen

von | Mai 16, 2021 | ReaktorBasic

Der Filter ist das Bauteil eines Synthesizers, das die Klangfarbe beeinflusst. Diese Klangfarbe soll bei unserem Filter aber nicht statisch sein, sondern über eine Hüllkurve gesteuert werden können.

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Um was wird es gehen?

Wir werden unseren Synthesizer mit einem Filter versehen, den wir in mehrfacher Hinsicht beeinflussen können. Dieses Tutorial wird ein wenig anspruchsvoller. Wer es nicht so komplex haben will, kann den entsprechend gekennzeichneten Teil einfach überspringen.

Zum Thema Filter habe ich an anderer Stelle schon ausführlich berichtet, werde das aber aus aktuellem Anlass hier noch einmal ausführen:

Die Kunst des Filterns.

Vier grundsätzliche Typen von Filtern will ich euch hier vorstellen. Sie unterscheiden sich lediglich dadurch, welche Frequenzbereiche sie bearbeiten. Entscheidende Parameter eines Filters sind:

  • Die Frequenz, bei der der Filter aktiv ist (Cutoff)
  • Eine eventuelle Verstärkung der Frequenzen in unmittelbarer Umgebung der Cutoff-Frequenz (Resonanz)
  • Die Geschwindigkeit, mit der der Übergang zwischen den durchgelassenen und den ausgefilterten Frequenzen stattfindet. (Flankensteilheit)
  • Das Keytracking kann optional bestimmen, ob die eingehende Tonhöhe / gedrückte Taste Einfluss auf die Arbeit des Filters hat.

Der legendäre Klang berühmter Synthesizer (wie z. B. dem Minimoog) ist nicht zuletzt dem Filter geschuldet. Diese Filter waren damals durchgehend analog aufgebaut, so dass Schaltung und verwendete Bauteile das ihre dazu taten. Heute kann man solche Filter recht gut digital simulieren.

Werfen wir zuerst einen Blick auf die vier grundlegenden Filter-Typen:

LP, Lowpass (Tiefpass)

Wie der Name schon sagt, lässt dieser Filter Frequenzen unterhalb der Cutoff-Frequenz passieren. Er eignet sich prima für basslastige, voluminöse Sounds. Wird die gewählte Cutoff-Frequenz während des Filterns verschoben, ändert sich die Klangfarbe.

HP, Highpass (Hochpass)

Das Gegenstück zum LP-Filter. Sein Einsatzbereich sind hohe, eher nasale Klänge oder scharfe Lead-Sounds.

BP, Bandpass

Diesen Filter kann man sich wie eine Kombination aus LP und HP vorstellen. Außerhalb des gewählten Bereiches werden alle Frequenzen ausgeblendet. Hier kann zusätzlich zum bearbeiteten Frequenzbereich auch die „Breite“, bzw. der Umfang der durchzulassenden Frequenzen variiert werden.

Notch, Band Reject, Bandsperrfilter

Wie die Grafik schon erahnen lässt, ist das das Gegenstück zum BP-Filter – mit allen dort geschilderten Optionen.

Ein Exot wäre noch zu erwähnen: der Allpass-Filter, der eigentlich alle Frequenzen um den selben Betrag verschiebt. Laaaangweilig – auf den ersten Blick aber nur. Gemischt mit dem Original-Signal sind so Effekte wie „Wah-Wah“ oder „Flanger“ darstellbar.
Die meisten der klassischen Gitarreneffekte sind im Grund genommen nur modulierte Filter/Equalizer.

Im Zug der digitalen Alternativen gibt es heute auch viele Mischtypen: Multimode-Filter sind zwischen verschiedenen Arten umschaltbar, Morph-Filter können stufenlos zwischen den Arten überblenden.

Weitere Einflussgrößen …

Ausser der Cutoff-Frequenz verfügen Filter noch über zwei weitere, wichtige Parameter:

Flankensteilheit (Slope)

Wie abrupt der Filter den Übergang von durchgelassenen zu gesperrten Frequenzen gestaltet, nimmt ebenfalls Einfluss auf den Klang. Die Flankensteilheit ist ein Verhältniswert und wird in DB/Oktave angegeben. Ich zitiere:

„Eine Flankensteilheit von 24dB/Oktave bedeutet, dass der Anteil des Signals, der eine Oktave über (= Tiefpass) oder unter (= Hochpass) der Cutoff-Frequenz liegt, um 24dB leiser ist, entsprechend bei 2 Oktaven 48dB und so weiter.“ (Peter Gorges, Das Keyboard Lexikon, GC Carstensen Verlag, 1994, ISBN13 978-3910098046, S. 96)

Hier finden sich die Werte 6, 12, 18, 24 und 36 DB/Okt., wobei 12 und 24 die gebräuchlichsten sind. Je höher die Flankensteilheit, desto aggressiver das Ergebnis. Für einen weichen Pad-Sound würde man also eher einen Wert von 24 und darüber wählen, für Bässe und Lead-Sounds 12 und kleiner.

tResonanz (Emphasis, Q-Peak)

In der Regel können wir nicht hören, was ein Filter mit einzelnen Obertönen macht. Wir empfinden lediglich den Gesamteindruck als „dumpf“, „hell“, etc.
Das änder sich aber, wenn man mit Hilfe des Resonanzreglers die Frequenzen um den Cutoff-Bereich verstärkt. Das kann bis zur Selbstoszillation führen, wobei eine Sinusschwingung entsteht. Bei voll aufgedrehtem Keytracking und abgeriegeltem Eingangssignal, lässt sich diese Sinusschwingung zum spielen verwenden. Für Synthesizer ohne Sinus-Oszillator eine Möglichkeit, an einen Sinus zu kommen.

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Die Filter in Reaktor

Filter gibt esim Reaktor jede Menge. Die meisten davon für alle anfallenden Arbeiten. Zusätzlich finden sich noch ein paar Spezialisten, von denen wir einen nutzen werden.. Genau genommen gehören auch die Equalizer zu den Filtern. Da wir die aber später auch einsetzen werden, sollen sie dann gesondert vorgestellt werden.

Abb. 1: Die Filter in Reaktor

Der Ladder-Filter

… in seiner natürlichen Umgebung.

Zu den besonderen Exemplaren der Reaktor-Filtersammlung gehören der Pro52- und der Ladder-Filter. Beide basieren auf den Filtern historischer Synthesizer. Der Pro52 fand sich z. B. im Sequential Prophet 5. Der Ladder-Filter ist ein Lowpass-Filter und durch seine Anwendung im Minimoog bekannt. Der Name rührt von der Verschaltung der Transistoren und Kondensatoren her, die die Form eine Leiter aufweist. Dieser Filter ist reizvoll, weil er recht resonanzfreudig ist, bis hin zur Selbst-Oszillation. Ihr findet den Ladder-Filter hier:

  • Kontextmenü > Build-In Module > Filter > Ladder

Nach der obenstehenden Einführung, sind euch die drei Ein- und vier Ausgänge vermutlich kein Rätsel mehr.

  • Über den P-Eingang regeln wir die Cutoff-Frequenz des Filters.
  • Mit dem Res-Eingang legen wir die Stärke der Resonanz fest.
  • Und In ist – wenig verwunderlich – der Weg, auf dem das Audio-Signal in den Filter gelangt.
  • Die Ausgänge sind mit LP1 – LP4 beschriftet, wobei LP hier für Lowpass steht. Dass es derer vier sind, liegt daran, dass jeder eine andere Flankensteilheit zur Verfügung stellt. in diesem Fall (von oben nach unten): 6dB, 12dB, 18dB und 24 dB. Ein Angebot, das wir mit einem Selector in Anspruch nehmen werden.

Den Selector kennt ihr bereits aus dem Tutorial BasicSynth (3) – Solo oder Mix? Oszillator-Orga einfach. Solltet ihr trotzdem Fragen haben, oder den Selector noch nicht kennen, schaut euch bitte diese Lektion noch einmal an. Die Button-Liste, mit der der Selector angesteuert wird, fülle ich mit den dB-Bezeichnungen der einzelnen Ausgänge (s. o.)

Abb. 2: Der Ladder-Filter in seiner natürlichen Umgebung

Und so bauen wir die Kombination aus Filter und Ausgangs-Selector in unseren Synthesizer ein.

Nicht vergessen: im „View“-Reiter der Side-Pane unter „Visible“ die Option „On“ aktivieren, damit ihr die Filterkurve sehen könnt. Das kennt ihr ja schon von der Hüllkurve. Leider zeigt die Kurve die Filtersteilheit nicht an. 

Wie bereits angedeutet, ist dieser Filter recht resonanzfreudig. Wenn ihr die Filterfrequenz und die Resonanz (vorsichtig!) nach rechts dreht, folgt irgendwann der Punkt, an dem es zu einer Selbstoszillation kommt. Ihr hört dann einen penetranten, stehenden Sinus-Ton, auch wenn ihr alle Oszillatoren auf 0 dreht. In einem sehr begrenzten Rahmen, kann man die „Tonhöhe“ dieses Sinus-Tones mit dem Cutoff-Regler steuern. Filter mit einem echten Keytracking lassen es dann zu, diesen Sinus-Ton zu „spielen“. Für analoge Synthesizer, die keinen Sinus erzeugen konnten, war das das Mittel zur Wahl.

Ein Keytracking müssten wir uns hier selbst bauen, in dem wir die Cutoff-Frequenz von der gespielten Tonhöhe (NotePitch) abhängig machen. Das wäre jetzt eine kleine Fleißaufgabe, um eure Reaktor-Verständnis zu testen 😉

Abb. 3: Der Ladder-Filter in seiner natürlichen Umgebung

Im folgenden Audio-Beispiel drehe ich erst die Cutoff-Frequenz komplett auf, drehe dann die Resonanz bis knapp vor die Selbstoszillation dazu und abschließend die Cutoff-Frequenz (bei offener Resonanz) wieder zurück. Die Flankensteilheit beträgt 6dB:

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LFO (Wah-Wah Effekt)

Jetzt kommt wieder ein alter Bekannter ins Spiel, den ich deshalb nicht näher erklären muss. Den LFO binden wir hier genau so ein, wie zuletzt bei der Hüllkurve. In diesem Fall wird er zur Cutoff-Frequenz addiert.

Abb. 4: LFO (Wah-Wah Effekt)

[!!!]

Bis hierher …

sollte man kommen, um den Filter musikalisch nutzen zu  können. Im Weiteren werden wir noch zwei Elemente einbauen, um den Filter noch flexibler zu machen. Wem das zu komplex aussieht, der kann zum nächsten Tutorial wechseln. Da ich aber nicht müde werde zu behaupten, dass diese Dinge meist komplizierter aussehen, als sie sind, möchte ich gerne ermutigen, dranzubleiben.

Nach den folgenden beiden Schritten wird unserer Schaltung ziemlich kompliziert aussehen (wer den Weg bis dahin aber mitgemacht hat, weiß genau, was, wo und warum passiert – also halb so wild). Trotzdem werden wir uns im kommenden 11. Tutorial darum kümmern, mit einer neuen Modul die Schaltung so aufzuräumen, dass wieder „leicht lesbar“ ist und weitere Ergänzungen verträgt, ohne unübersichtlich zu werden. Alles wird gut!

Der aktuelle Stand sieht nun (bei mir) so aus:

Abb. 5: Serviervorschlag

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Der bewegte Filter

Für die neugierigen und wissensdurstigen geht es jetzt weiter: wir versorgen die Cutoff-Frequenz mit einer Hüllkurve, um den zeitlichen Verlauf der Klangänderung beeinflussen zu können. In diesem Fall multiplizieren wir die Hüllkurve auf die Cutoff-Leitung.

Des Weiteren brauchen wir – wie schon beim Oszilloskop – ein A to E Modul: Der Ausgang der Hüllkurve ist ein Audio-Signal, der F-Eingang des Filters aber ein Event-Signal. Da muss also konvertiert werden.

Für das Interface werde ich mich in diesem Fall entscheiden, die Hüllkurve nicht einzublenden und die Regler als kleine Fader zu platzieren. Das spart eine Menge Platz und dient der Übersichtlichkeit.

Abb. 5: Die Hüllkurve am Filter

Das folgende Audiobeispiel zeigt sehr gut, wie sich nun die Anschlagstärke beim Spielen auf die „Reichweiter“ der Cutoff-Frequenz auswirkt. Das ist dem Gate-Element an der Hüllkurve geschuldet und lässt weitere Gestaltungsmöglichkeiten der Klangfarbe zu.

Eine letzte Sache noch

Zum Abschluss dieses Kapitels möchte ich den Effekt des Filters gegenüber dem Original-Signal regeln können. Das ermöglicht es uns, den Filter nicht nur zu 0% oder 100% zu nutzen, sondern seinen Anteil am Klang frei einzustellen.
Wir könnten das mit einem normalen Mixer erreichen, wie wir ihn schon am Ausgang der Oszillatoren verwendet haben. Einfacher aber ist das mit einem Mixer-Modul, das speziell auf das Überblenden zweier Signale spezialisiert ist: der Crossfade-Mixer:

  • Kontextmenü > Build-In Module > Signal Path > Crossfade

Der Crossfade-Mixer verfügt über zwei Signal-Eingänge, einen Eingang zur Regelung (X) und einem Ausgang. Legt man das „Originalsignal“ an den Eingang 0.0 und das Effekt-Signal an den Eingang 0.1, hat man …

  • bei der Verwendung eines Faders das Originalsignal in der unteren und das reine Effektsignal in der oberen Stellung des Faders.
  • bei der Verwendung eines Drehknopfes das Originalsignal am linken und das reine Effektsignal am rechten Ende des Drehknopfes.

Aus diesem Grund lege ich den Ausgang Oszillator.Mixers auf die 0.0 und den Ausgang des Filter-Selectors auf auf die 0.1 des Crossfade-Mixers. Den Am X-Eingang angelegten Drehknopf beschrifte ich mit „D/W“ für Dry/Wet. Am linken Anschlag höre ich nichts vom Filter, am rechten Anschlag nur den Filter, dazwischen jede mögliche Überblendung.

Ich habe hier in der Tat einen Drehregler am Crossfade-Mixer, obwohl das Symbol in der Schaltung einen Fader zeigt. Das liegt daran, dass der Reaktor beim Anlegen eines Reglers mit „Create Control“ automatisch einen Fader generiert und das Symbol nach dem Ändern des Reglers nicht aktualisiert…

Abb. 6: Crossfade-Mixer

Mit den beiden Extras sieht meine Filter-Sektion nun so aus.

Abb. 7: Serviervorschlag

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