Additive Synthese (1)
… oder: Wir bauen uns eine Orgel. Im ersten Teil des Tutorials schauen wir uns das zu Grunde liegende Syntheseverfahren an. Die Synthese selbst ist recht simpel. Schwieriger hingegen wird es, z. B. den typischen Sound einer Hammond B3 nachzubauen.
LESSON
Helge Schneider an der Hammond B3, Jazz Baltica (2018)
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Um was wird es gehen?
Ursprünglich als kostengünstiger Ersatz für Pfeifenorgeln gedacht, etablierte sich die elektromechanische Orgel als Standard in den verschiedenen Spielarten von Rock, Pop und Jazz.
Elektromechanisch deshalb, weil sich Stahlräder mit einem wellenförmigen Rand vor Permanentmagneten in Spulen drehen. Aufgrund der Wellenform befindet sich die Kante des Tonrades periodisch unterschiedlich weit vom Magneten entfernt, was in der Spule eine Wechselspannung indiziert. Diese wird anschließend durch eine Filterschaltung geglättet und steht dann als fast idealer Sinus zur Verfügung.
Mit dem Sinus beginnt alles.
Den elektromechanischen Teil können wir uns also sparen und gleich mit einem Sinus-Oszillator loslegen. Ihr erinnert euch sicher: Sinus-Oszillatoren sind laaaangweilige, da sie nur über eine Grundschwingung verfügen, also keine Obertöne zur Verfügung stellen.
Wie kommt es nun trotzdem zu dem typischen, alles andere als langweiligen Orgelsound? In dem wir mehrere Sinus-Oszillatoren verwenden damit gezielt ganz bestimmte Obertöne erzeugen, die wir dann addieren. Daher „Additive Synthese“.
Unsere erste Schaltung fällt demnach auch sehr simpel aus: Ein Sinus-Oszillator wird von NotePitch und Gate angesteuert. Den Ausgang multiplizieren wir mit einem Wert zwischen 0 und 0.2 (reicht tatsächlich aus) und reichen dann alles via Audio Voice Combiner (soll ja polyphon werden) an den Reaktor-Ausgang weiter.
- Warum kein Mixer? Das Mixer-Modul „denkt“ logarithmisch, arbeitet also mit dB-Werten. Wir wollen das aber ganz simpel und linear halten.
- Warum keine Hüllkurve? Alte elektromechanische Orgeln haben ein charakteristisches Knackgeräusch (Percussion) beim Betätigen der Tasten. Das lässt sich so am einfachsten simulieren. Eine Hüllkurve würde dieses Knacken selbst bei einer 0-Einstellung wegbügeln und man müsste es künstlich hinzufügen.
Mehr brauchen wir erst mal nicht, um ein brauchbares polyphones Sinus-Signal zu erzeugen.
Sinus-Oscillator
Obertöne
Hier folgt ein kleiner Ausflug in die Physik (im Allgemeinen) und der Akustik (im Besonderen). Vermutlich kommt es nicht überraschend, dass Töne das Resultat von Schwingungen sind. Das Vielfache einer Schwingung bezeichnen wir als Oberton (OT). Im Untenstehenden Beispiel seht ihr die Obertonreihe für C2 (und das Interface der nachfolgenden Schaltung).
Der Grundton (C2) hat einen Frequenz von 660Hz. Multiplizieren wir diesen Wert mit 2, erhalten wir den ersten Oberton. Das Multiplizieren mit 3 führt zum 2. Oberton, usw. Im Beispiel wurde der Grundton mit 9 Multipliziert, was zum 8. Oberton führt. Auch gut zu erkennen: Je höher der Oberton, desto kleiner der Intervall zu seinen Nachbarn.
- Das NotePitch-Signal trifft wie gehabt auf den P-Eingang des ersten Sinus-Oszillators.
- Für den zweiten Sinus-Oszillator wird das NotePitch-Signal mit einem Exponential-Modul (Exp) in eine Frequenz konvertiert.
- Diese Frequenz wird anschließend mit einem Multiplikator und einem Drehknopf mit den Werten 1 – 16 multipliziert …
- … und abschließend mit dem Logarithmik-Modul (Log) wieder in einen NotePitch-Wert zurück konvertiert.
Jetzt erzeugt der zweite Sinus-Oszillator den eingestellten Oberton, der (nach der Pegel-Regelung) mit dem Signal des ersten Sinus-Oszillators addiert wird. Schon jetzt klingt das ganze ein wenig nach einer elektrischen Orgel.
16 Obertöne: C2 aufwärts / C3 abwärts
Demo: Grundton + 3. Oberton
8 Obertöne sollen es sein.
Mit dem bisher erworbenen wissen, wollen wir uns ja eine Orgel bauen. Aus Gründen der Übersicht und nicht zuletzt auch aus historischen welchen, werden wir uns hierbei auf 8 Obertöne beschränken. Die sind für eine umfangreiche Klanggestaltung völlig ausreichend. Ferner wollen wir diese 8 Obertöne nicht selektiv, sondern parallel einsetzen.
Dazu müssen wir lediglich …
- den zweiten Sinus-Oszillator incl. der Module zur Tonhöhen/Frequenz-Umrechnung und dem Volume-Regler 8 x kopieren,
- den OT-Regler jeweils durch Konstanten von 2 bis 9 ersetzen,
- und am Ende alles zusammenaddieren.
Das Scope-Macro am Ende der Schaltung kennt ihr evtl. schon aus diesem Library-Betrag.
Hier kommt noch eine wichtige Ergänzung: In der Vergrößerung in der rechten Hälfte von Abb. 4 könnt ihr sehen, dass ich dem Oszillator des Grundtons ebenfalls die komplette Fähigkeit zur Frequenz-Multiplikation spendiert habe. Das wird uns erheblich mehr Spielraum verschaffen. So könnten wir z. B. den zweiten Oszillator zum Grundton machen und den ersten Oszillator mit einem Multiplikationsfaktor kleiner 1 zum Subharmonischen „Unterton“. Wir werden sehen 😉
Grundton und 8 Obertöne parallel
Was eine elektrische Orgel sein will, braucht Zugriegel!
Und die bauen wir jetzt noch an. Das ist eine rein kosmetische Arbeit: Wir ersetzen die Drehregler durch Fader. Die Minimal- und Maximalwerte vertauschen wir, weil bei einer Zugriegel-Orgel der Zugriegel in der obersten Position die minimale und in der untersten Position die maximale Lautstärke ausgibt. Mit einer Step Size von 0.025 erhalten wir exakt 9 Abstufungen (0 – 8).
Vielleicht ahnt ihr ja schon, auf was das herauslaufen wird. Tipp: Schaut auch das Video zu Beginn dieser Lektion nochmal genau an 🙂
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Orgel nat. Obertöne
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